1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 02.12.2014 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1. 1 BSG, Urteil vom 02.12.2014 – B 14 AS 50/13 R
Ist die Sanktion gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit dem Wegfall der Leistungen für Unterkunftsaufwendungen verbunden, kann dies eine Abweichung vom „Kopfteilprinzip“ und höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft an die weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder rechtfertigen (BSG, Urt. v. BSG vom 23. 5. 2013 – B 4 AS 67 /12 R ).
Leitsätze ( Autor)
1. Voraussetzung für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip ist jedoch, dass der sanktionierte Dritte über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil – oder ggf Teile davon – erbringen kann.
2. Die im selben Haushalt lebenden Eltern müssen das bereinigte Kindergeld des volljährigen Sanktionierten für die Begleichung seines Anteils zu den Unterkunftskosten verwenden.
Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014&nr=13657
Anmerkung: Vgl. dazu RA Thorsten Blaufelder – Keine Sippenhaft bei Hartz-IV-Sanktionen!
weiterlesen: http://www.jurablogs.com/go/keine-sippenhaft-bei-hartz-iv-sanktionen
1. 2 BSG, Urteil vom 02.12.2014 – B 14 AS 66/13 R
Kein Ausschluss von SGB II Leistungen bei Aufenthalt in Reha-Klinik von weniger als sechs Monaten – Maßgeblich für den Beginn der Frist des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II ist eine Prognoseentscheidung, die ab dem Zeitpunkt der Aufnahme in der stationären Einrichtung zu treffen ist.
Leitsatz ( Autor)
1. Die Unterbringung war nicht auf weniger als sechs Monate angelegt. Maßgeblich für die dafür anzustellende Prognose ist der Zeitpunkt der Aufnahme in die Klinik und nicht der Zeitpunkt der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II.
2. Ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 S 1 SGB II eingreift oder ausnahmsweise nicht besteht, lässt sich für die voraussichtliche Dauer der Unterbringung nur einheitlich und deshalb nur aus der Perspektive bei Aufnahme in das Krankenhaus beurteilen; ein Wiederaufleben eines zunächst ausgeschlossenen Anspruchs bei einem Krankenhausaufenthalt von voraussichtlich nicht unter sechs Monaten durch eine spätere Antragstellung ist mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zu vereinbaren.
Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014&nr=13657
Anmerkung: ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2008 – L 5 AS 31/08.
1. 3 BSG, Urteil vom 02.12.2014 – B 14 AS 35/13 R
Zur Beurteilung der Frage, ob Jemand in einer stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 S 1 SGB II untergebracht war, ist nicht mehr an den Kriterien festzuhalten, die die Rechtsprechung zu § 7 Abs 4 S 1 SGB II in der ursprünglichen Fassung vom 1.1.2005 zum sog „funktionalen Einrichtungsbegriff“ entwickelt hatte.
Leitsatz ( Autor)
Der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung schließt seit dem 1.8.2006 Leistungen nach dem SGB 2 aus, wenn der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernimmt (( BSG, Urteil vom 5.6.2014 – B 4 AS 32/13 R ).
Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014&nr=13657
1. 4 BSG, Urteil vom 02.12.2014 – B 14 AS 8/13 R
Der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG schließt die Leistungsberechtigung nach dem SGB II aus.
Leitsatz ( Autor)
Von Verfassungswegen ist der Gesetzgeber frei, in welchem Leistungssystem er dem Bedarf an existenzsichernden Leistungen Rechnung trägt. Dass Ausländer danach auch nach langjährigem Aufenthalt in Deutschland dem Leistungssystem des AsylbLG zugeordnet und so auf den Bezug abgesenkter Leistungen verwiesen sein können, ist unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 18.7.2012 angeordneten Übergangsregelung bis zur Neuordnung der Leistungen nach dem AsylbLG vorübergehend hinzunehmen.
Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014&nr=13657
1. 5 Bundessozialgericht, Urteil vom 02.12.2014 – B 14 AS 60/13 R
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren – Erstattung von Kosten im Vorverfahren – Zurückweisung der Kostenrechnung des verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalts durch die Behörde wegen des Fehlens einer Abrechnung gegenüber dessen Mandanten – Anwendungsbereich des § 10 RVG
Leitsatz ( Autor)
1. Der Schutzzweck des § 10 RVG betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt, nicht jedoch das Außenverhältnis gegenüber einem erstattungspflichtigen Dritten.
2. Grundsicherungsträger nach dem SGB II muss dem Rechtsanwalt auch Kosten erstatten, wenn dieser seinem Mandanten keine Kostenrechnung gestellt hat.
Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014&nr=13650
Anmerkung: Vgl. dazu Beitrag von RA Helge Hildebrandt – Jobcenter muss Rechtsanwalt auch Kosten erstatten, wenn dieser seinem Mandanten keine Kostenrechnung gestellt hat: http://sozialberatung-kiel.de/2014/12/06/jobcenter-muss-rechtsanwalt-auch-kosten-erstatten-wenn-dieser-seinem-mandanten-keine-kostenrechnung-gestellt-hat/
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2. 1 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.11.2014 – L 15 AS 338/14 B ER
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Sanktion – Minderung des Auszahlungsanspruchs – Notwendigkeit einer Aufhebungsentscheidung
Leitsatz ( Juris)
Auch nach Inkrafttreten der zum 1. April 2011 neu gefassten Vorschriften in §§ 31 ff. SGB II ist weiterhin eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X erforderlich ist, sofern eine Minderung der bereits erfolgten Leistungsbewilligung aufgrund einer Pflichtverletzung erfolgen soll.
Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=709F805F50C473C1CCB15DAB9A8FA4DA.jp85?doc.id=JURE140019294&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint
2. 2 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 15. Senat, Urteil vom 13.11.2014 – L 15 AS 166/13 – Revision wird zugelassen.
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommen -GbR-Gesellschafter
Einkommensanrechnung bei einem GbR-Gesellschafter im Rahmen des SGB II
Leitsätze ( Autor)
1. Die Einnahmen aus einem als BGB-Gesellschaft geführten Gewerbebetrieb können dem Leistungsberechtigten nicht ohne weiteres als eigene Einnahmen zugerechnet werden.
2. § 3 Alg II-V stellt auf den Einzelunternehmer ab, der die nach Abzug der Betriebsausgaben verbliebenen Betriebseinnahmen ohne rechtliche Beschränkungen für die Bestreitung seines eigenen Lebensunterhalts verwenden kann. Diese Vorschrift bietet keine Handhabe, die Einnahmen einer BGB-Gesellschaft einem Gesellschafter ohne Rücksicht auf zivilrechtliche Normen als eigene Einnahmen zuzurechnen, d. h. die Einkommensermittlung wie bei einem Einzelunternehmer durchzuführen (so auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 16.04.2013 – L 3 AS 1311/12 B ER ).
Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=JURE140019293&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint
2. 3 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.11.2014 – L 15 AS 457/12
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung – Behindertentestament – Freigabe durch den Testamentsvollstrecker
Leitsätze ( Juris)
Das Einkommen aus einem Erbfall ist im Falle einer aus einer angeordneten Testamentsvollstreckung resultierenden Verfügungsbeschränkung des Hilfebedürftigen insoweit zu berücksichtigen, als diesem aufgrund einer Freigabe durch den Testamentsvollstrecker tatsächlich bereite Mittel aus der Erbschaft zufließen und zur Deckung des Bedarfs verwendet werden können.
Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=709F805F50C473C1CCB15DAB9A8FA4DA.jp85?doc.id=JURE140019295&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint
Anmerkung: Vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2013 – L 6 SO 165/10 – Gibt der aufgrund eines sog. Behindertentestaments eingesetzte Testamentsvollstrecker Vermögen durch Überweisung auf das Konto des behinderten Menschen frei, kann der nach § 19 Abs. 3 SGB XII leistungspflichtige Sozialhilfeträger in den Grenzen des § 90 SGB XII hierauf zugreifen.
2. 4 Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.10.2014 – L 4 AS 448/14 B ER
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Aufforderung zur Beantragung vorrangiger Leistungen – vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres – Ermessensausübung – keine Unbilligkeit oder besondere Härte
Leitsätze ( Autor)
1. Antragstellerin war verpflichtet eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, denn das Jobcenter habe die notwendigerweise vorzunehmende Ermessensentscheidung erkannt und dieses Ermessen nach Sinn und Zweck des § 12a SGB II ausgeübt.
2. Offen bleiben kann, ob neben den in der Unbilligkeitsverordnung ausdrücklich geregelten Fällen auch weitere Fallgruppen, in denen die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente möglicherweise eine besondere Härte für den Betroffenen darstellt, im Rahmen des § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen sein können. Jedenfalls liegen weder nach der UnbilligkeitsV noch nach möglichen atypischen Umständen außerhalb des Anwendungsbereichs der UnbilligkeitsV Gründe vor, die eine besondere Härte hätten rechtfertigen können.
3. § 12a SGB II ist nicht verfassungswidrig.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=173840&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: ähnlich im Ergebnis LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.08.2014 – L 4 AS 159/14 B ER.
2. 5 LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. November 2014 (Az.: L 14 AS 2799/14 B ER):
Leitsätze Dr. Manfred Hammel
Wenn ein Sozialgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen SGB II-Träger zur Leistung von Arbeitslosengeld II verpflichtete, ist die Frage, ob von diesem Begünstigten diese Hilfe endgültig rechtmäßig beansprucht werden kann, ggf. im Hauptsacheverfahren zu klären, sofern die behördliche Ablehnungsentscheidung nicht ohnehin bestandskräftig wird.
Innerhalb des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens kann dieser Aspekt aber nicht weiterbehandelt werden.
2. 6 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.11.2014 – L 12 AS 1959/14 B ER – rechtskräftig
Einstweiliger Rechtsschutz – Arbeitslosengeld II – Unterkunftskosten – vorherige Zusicherung für neue Unterkunft – fehlender Anordnungsgrund – neu zu beziehende Wohnung bereits übergeben worden ist.
Leitsätze ( Autor)
1. Kein Anspruch auf Zustimmung zur Kostenübernahme vor Umzug im Eilverfahren.
2. Eine Zustimmung zum Umzug ist auch nicht Voraussetzung für die zukünftige Übernahme höherer Kosten der neuen Wohnung. Soweit der Umzug in Sachen von § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II erforderlich ist und die Kosten der neuen Unterkunft angemessen sind, sind diese vom Leistungsträger auch dann zu übernehmen, wenn eine vorherige Zustimmung zum Umzug nicht vorliegt. Soweit mit der Verpflichtung zur Zustimmung eigentlich beabsichtigt ist, Planungssicherheit dahingehend zu erlangen, dass die neue Wohnung als angemessen angesehen und deren Kosten vom Leistungsträger damit zukünftig dauerhaft in voller Höhe übernommen werden, kann eine solche durch eine – nur vorläufig geltende – Entscheidung im Eilverfahren ohnehin nicht erzielt werden.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=173978&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: gleicher Meinung – LSG NRW Beschlüsse v. 27.09.2012, L 12 AS 1350/12 B ER, v. 17.01.2011, L 6 AS 1914/10 B ER, v. 22.02.2013, L 2 AS 2299/12 B.
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
3. 1 SG Braunschweig, Urteil vom 23.09.2014 – S 49 AS 582/12 – Die Berufung wird zugelassen.
Keine Berücksichtigung von Gutschriften aus Betriebskostenzahlungen als Einkommen des Grundsicherungsempfängers bei Aufrechnung mit Gegenforderungen durch den Vermieter ( entgegen LSG Berlin-Brandenburg; Urteil vom 12.06.2014 – L 23 SO 68/12 – ).
Leitsätze ( Autor)
1. Bereits in beiden Betriebskostenabrechnungen erklärte die Vermieterin, sie werde ein Guthaben mit etwaigen Mietschulden verrechnen. Damit erklärte die Vermieterin bereits zu diesem Zeitpunkt einseitig die Aufrechnung des Guthabens mit den bestehenden Mietschulden im Sinne des § 388 BGB.
2. In einer vergleichbaren Konstellation entschied das LSG Berlin-Brandenburg, ( Urteil vom 12.06.2014 – L 23 SO 68/12) jüngst, dass eine Aufrechnungserklärung des Vermieters in diesen Fällen nach § 394 BGB nichtig sei. Das LSG folgert hieraus, dass der Leistungsberechtigte das Guthaben hätte realisieren können und er sich mit guter Aussicht auf Erfolg auf dem Zivilrechtsweg gegen die Aufrechnung der Vermieterin hätte zur Wehr setzen können. Das Guthaben sei deshalb als Einkommen anzurechnen.
3. Das LSG lässt sowohl faktische Umstände wie etwa die Erfordernisse der Zahlung von Gerichtskosten und der Formulierung einer Klageschrift und eines Klageantrags als auch den Umstand außer Acht, dass auch Verfahren vor den Zivilgerichten einige Zeit in Anspruch nehmen. Vor diesem Hintergrund dem SGB II- Leistungsempfänger das Risiko eines Prozesses bei gleichzeitiger Unterdeckung seines existenzsichernden Bedarfs aufzubürden, erscheint nicht vertretbar. Ein – möglicher – Zahlungsanspruch gegen einen Vermieter ist nicht geeignet, den täglichen Bedarf zu sichern.
Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=JURE140019310&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint
3. 2 SG Berlin, Beschluss vom 20.11.2014 – S 205 AS 24714/14 ER
Minderung des Arbeitslosengeld II – § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB 2 – Nichterscheinen zum Meldetermin – keine Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung
Leitsätze ( Autor)
1. Bei der Meldeaufforderung handelt es sich um einen Verwaltungsakt (BSG, B. v. 19.12.2011 – B 14 AS 146/11 B ).
2. § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II selbst schreibt keine Inzidentprüfung vor. Voraussetzung ist lediglich, dass der Leistungsberechtigte eine Meldeaufforderung nicht nachkommt.
3. Der Wortlaut der Vorschrift deutet nicht einmal an, dass es sich um eine rechtmäßige Meldeaufforderung handeln muss. Es bleibt danach bei der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regel, dass ein Verwaltungsakt mit seinem Inhalt unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit
wirksam ist und Tatbestandswirkung entfaltet, sofern er nicht nichtig ist (§ 39 Abs. 3 SGB X) und solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2 SGB X). Selbst wenn in dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ein konkludenter Überprüfungsantrag im Sinne von § 44 SGB X gesehen werden sollte, ändert dies nicht an der bestehenden Bindungswirkung der Meldeaufforderung, denn es steht im Ermessen des Antragsgegners, ob er diese aufhebt (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X).
Der Beschluss liegt dem Autor vor.
Dazu eine Anmerkung von RA Kay Füßlein:
Eine Meldeaufforderung erledigt sich nach hergebrachter Rechtsprechung (LSG Bayern, Urteil vom 31.05.2005 – L 10 AL 14/05) durch Zeitablauf, er entfaltet dann keine Rechtswirkungen mehr, § 39 Abs. 2 SGB X. Damit entfällt dann, nach dieser Rechtsprechung aber auch die Bindungswirkung nach § 77 SGG, so daß die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung auch wieder inzident geprüft werden kann. Dies macht verfahrensrechtlich auch mehr Sinn: Sämtliche Rechtsmittel gegen die Meldeaufforderung erledigen sich durch Zeitablauf am Tage der Meldung; ein Verfahren müsste als Fortsetzungsfeststellungsklage geführt werden, die jedoch nur dann zulässig ist, wenn nicht ein „sachnäherer” Verwaltungsakt vorliegt (hier die Sanktion).
Im Lichte dieser Rechtsprechung muß nun mehr sicherheitshalber gegen die Meldeaufforderung und sodann auch gegen die Sanktion Rechtsmittel eingelegt werden. Spannend wird es dann, wenn der Spruchkörper, der über die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung befindet, der Meinung ist, diese hätte sich durch Zeitablauf erledigt und die Klage abweist, während in dem Sanktionsverfahren o.g. Rechtsprechung angewendet wird- dann wäre ja die Meldeaufforderung bestandskräftig und die Sanktion rechtmäßig, ohne daß die Meldeaufforderung überhaupt rechtlich geprüft worden wäre.
3. 3 Sozialgericht Detmold, Urteil vom 17.10.2014 – S 23 AS 2298/12 – rechtskräftig
Zur Jahresfrist
Leitsatz ( Autor)
Die Neuregelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II, mit der der Überprüfungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II auf ein Jahr verkürzt worden ist verfassungsgemäß.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=173980&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
3. 4 Sozialgericht Gießen, Beschluss vom 28.11.2014 – S 25 AS 859/14 ER
Konzept des Landkreises Gießen zu Unterkunftskosten nicht schlüssig
Leitsätze ( Autor)
1. Ein solches Konzept muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schlüssig sein. Die in dem Konzept vorgenommene Berechnung war aber fehlerhaft ( a.A. Hessisches Landessozialgericht vom 6. November 2013 – L 4 SO 166/13 B ER ).
2. Die Daten des Jobcenters bildeten nämlich nicht die gesamte Bandbreite des Wohnungsbestands vom einfachen bis gehobenen Standard ab. So werde das Ergebnis verfälscht. Außerdem habe das Jobcenter in einem Zeitraum von zehn Monaten der Antragstellerin nur zwei zumutbare Wohnungsangebote vorlegen können. Dies verdeutliche, dass die Ermittlung der angemessenen Kosten mit dem vorliegenden Konzept nicht gelungen sei.
3. Das Jobcenter muss daher der Frau jetzt für zunächst drei Monate weiterhin die vor der Kürzung zuerkannten Unterkunftskosten zahlen.
Pressemitteilung 01.12.2014: http://www.sg-giessen.justiz.hessen.de/irj/SG_Giessen_Internet?rid=HMdJ_15/SG_Giessen_Internet/sub/118/118ecafc-08e9-4179-cdaa-2b417c0cf46a,,,11111111-2222-3333-4444-100000005003%26overview=true.htm
Volltext hier: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=174053&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: Vgl. dazu Hessisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 4 SO 166/13 B ER – rechtskräftig – Das Landessozialgericht Hessen hat das für den Kreis Gießen (Stand: 1. Dezember 2012) von Analyse & Konzepte erstellte schlüssige Konzept im Rahmen eines Beschlusses (ER-Verfahren) in zweiter Instanz ausdrücklich als schlüssig anerkannt. der Beitrag ist abrufbar unter: www.analyse & konzepte.de, hier zum Link: https://www.analyse-konzepte.de/leistungen/kosten-der-unterkunft-mietspiegel/schluessige-konzepte-kdu-satzungen-lang/aktuelle-kdu-informationen.html
3. 5 Sozialgericht Stuttgart, Beschluss vom 28.11.2014 – S 4 AS 6236/14 ER
Die Leistungsbezieherin hat kein Recht auf Feststellung, dass ein Beistand sich nicht ausweisen muss. Denn das Jobcenter kann jederzeit Namen und Personalien von Beiständen erfragen und ggf. ein Gespräch beenden, wenn der Beistand der Ausweispflicht nicht nachkommt.
Leitsatz ( Autor)
Das Jobcenter ist berechtigt, von einem Beistand Personalien zu erheben und sich von diesem den Ausweis vorlegen zu lassen.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=173977&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
3. 6 Sozialgericht Kassel, Urteil vom 13.10.2014 – S 3 AS 762/11
Psychosoziale Betreuungsleistungen während des Aufenthaltes in einem Frauenhaus können Leistungen zur Eingliederung des SGB II sein.
Leitsatz ( Juris)
Die Höhe der Erstattungspflicht des kommunalen Trägers der Herkunftskommune bestimmt sich in Hessen im Regelfall anhand der Kostenkalkulationen der Frauenhäuser, die Grundlage der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen sind.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=173974&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
4. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe ( SGB X II )
4. 1 SG Braunschweig , Beschluss vom 03.11.2014 – S 32 SO 124/14 ER
Türkische Staatsangehörige hat Anspruch auf vorläufige Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ohne Berücksichtigung von Unterkunfts- und Heizkosten sowie Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB XII.
Leitsätze ( Autor)
1. Dem Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII steht § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht entgegen, nach dem diejenigen Ausländer sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Diese Leistungsausschlüsse sind bei Staatsangehörigen der Signatarstaaten des EFA, zu denen auch die Türkei und die Bundesrepublik Deutschland gehören (und daneben Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien und Großbritannien), wegen des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 1 EFA nicht anwendbar.
2. Aber auch der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB XII (Einreise zum Zwecke des Sozialhilfebezugs) ist auf Ausländer, die sich auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 1 EFA berufen können, nicht anwendbar (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 23. Mai 2014 – L 8 SO 129/14 B ER -), weil schon aufgrund des Wortlautes des Art. 1 EFA kein rechtlich überzeugender Ansatzpunkt dafür erkennbar ist, dass das EFA nur auf diejenigen Ausländer anzuwenden ist, die sich zur Zeit des Eintritts der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhielten und nicht auf diejenigen, die als bereits bedürftige Personen bzw. zur Erlangung von Sozialhilfeleistungen in einen Staat eingereist sind.
Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=9F19B4B5464C61E11EC5E8F35DB765F7.jp15?doc.id=JURE140019309&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint
4. 2 Sozialgericht Detmold, Urteil vom 28.10.2014 – S 8 SO 46/13
Um die Mobilität für die Teilnahme an der Umschulung zu gewährleisten, hat behinderter ALG II Bezieher Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Anschaffung eines Kfz mit Automatik-Getriebe.
Leitsätze ( Autor)
Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Kraftfahrzeughilfe ist hier § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II i.V.m. § 112 ff SGB III i.V.m. § 33 Abs. 3 Nr. 6, Abs. 8 Nr. 1 SGB IX i.V.m. der KfzHV. Es handelt sich bei der von dem Antragst. begehrten Leistung um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 5 Nr. 2 SGB IX in Abgrenzung zu den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 5 Nr. 4 SGB IX, denn der Schwerpunkt der Leistung liegt für den Antragst. in der Verschaffung und Erhaltung von Erwerbsmöglichkeiten.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=174042&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
4. 3 Sozialgericht Detmold, Urteil vom 23.09.2014 – S 2 SO 12/12
Träger der Sozialhilfe muss keine Bestattungskosten i. S. d. § 74 SGB XII für die Antragstellerin übernehmen, weil ihr Anspruch nach § 45 Abs. 1 SGB I verjährt war.
Leitsätze ( Autor)
1. Der Anspruch auf sozialhilferechtliche Übernahme der Bestattungskosten wurde ferner nicht durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren, in dem sich die Klägerin gegen die ordnungsrechtliche Bestattungspflicht und die daraus resultierende Pflicht zur Kostentragung gewandt hat, gehemmt oder unterbrochen.
2. Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich bei dem Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten und die Anfechtung der polizeirechtlichen Bestattungspflicht um zwei unterschiedliche Streitgegenstände handelt. Auch liegt kein Fall der in § 203 und § 204 BGB aufgezählten Tatbestände vor.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=173972&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
4.4 Sozialgericht Detmold, Urteil vom 28.10.2014 – S 2 SO 103/12
Träger der Sozialhilfe war zu verpflichten, dem Antragsteller die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers auch für den Zeitraum der Nachmittagsbetreuung über den Pflichtunterricht am Vormittag hinaus im Rahmen des Schulbesuchs einer Hauptschule in der Sekundarstufe 1. zu gewähren.
Leitsätze ( Autor)
1. Es handelt es sich bei den Kosten für einen Integrationshelfer für die Nachmittagsstunden vergleichbar der Offenen Ganztagsschule in der Grundschule (im Folgenden: OGS) um eine Hilfe für eine angemessene Schulbildung im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Dies ergibt sich bei der Auslegung dieser Norm insbesondere im Lichte der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.03.2012 zum Verfahren B 8 SO 30/10 R.
2. Der Begriff der Schulbildung ist bei behinderten Kindern weit zu verstehen. Erforderlich ist aber, dass im Rahmen der in Rede stehenden Förderung Maßnahmen erfolgen, die den Schulbesuch erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.10.2008, Az.: L 9 SO 8/08). Ausgangspunkt ist dabei, dass die Betreuung speziell auf die schulischen Maßnahmen abgestimmt ist und zu einer noch zu erreichenden gewissen Schulbildung führt. Es muss ein überwiegender Bezug zur schulischen Ausbildung bestehen. Nicht ausreichend ist dagegen, dass im Rahmen einer Maßnahme positive Nebeneffekte auch für die schulische Entwicklung eintreten können.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=173973&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
5. Zur Anwendbarkeit des § 66 SGB I im SGB II (und SGB XII), ein Beitrag von Herbert Masslau.
Hier zum Beitrag: http://www.herbertmasslau.de/ss-66-sgb-i.html
6. 4.12.2014: Bundessozialrecht lässt zwei Revisionen zum Thema „Mietobergrenze“ im Recht der wirtschaftlichen Grundsicherung zu.
Am heutigen 4.12.2014 gingen uns zwei Beschlüsse vom 18.11.2014 zu (B 4 AS 117/14 B und B 4 AS 118/14 B), durch die das BSG zwei Revisionen zugelassen hat. In der Nichtzulassungsbeschwerde haben wir die folgenden vier Rechtsfragen mit grundsätzlicher Bedeutung geltend gemacht:
weiterlesen bei Sozialrecht in Freiburg – Rechtsanwälte Fritz und Kollegen: http://www.sozialrecht-in-freiburg.de/sozialrecht-startseite/
7. 5.12.2014: VG Münster stellt Vereinbarkeit der jüngsten Verschärfung des Asylrechts mit dem Grundgesetz in Frage
Ausländerrecht gehört nicht zu den Schwerpunkten der anwaltlichen Arbeit unserer Kanzlei. Dennoch möchten wir heute auf eine bemerkenswerte Entscheidung des Verwaltungsgerichtes (VG) Münster hinweisen. Das VG Münster hat mit Beschluss vom 27.11.2014, 4 L 867/14.A, einem Antrag auf einstweilige Anordnung statt gegeben und die aufschiebende Wirkung gegen eine Abschiebungsandrohung angeordnet. Das Gericht bezweifelt in dem Beschluss mit guten Gründen, dass die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat mit dem Grundrecht auf Asyl vereinbar ist und kündigt an, im Hauptsacheverfahren zu prüfen, ob die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen ist.
weiterlesen bei Sozialrecht in Freiburg – Rechtsanwälte Fritz und Kollegen: http://www.sozialrecht-in-freiburg.de/sozialrecht-startseite/
8. Nach Anfrage der LINKEN – Jobcenter Köln korrigiert falsche Praxis
Das Jobcenter Köln wird in Zukunft auf die standardmäßige Ausgabe von Mietbescheinigungen bei der Beantragung von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (Hartz IV) verzichten.
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Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock
Quelle „Tacheles-Rechtsprechungsticker, http://www.tacheles-sozialhilfe.de