1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1. 1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.06.2015 – L 2 AS 730/15 B – rechtskräftig
Anforderungen an die Bestimmtheit einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines Eingliederungsverwaltungsaktes bei Selbständigkeit – Rechtsschutzbedürfnis (keine Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung )
Leitsatz (Autor)
1. Auf die Frage, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (oder der Klage) besteht oder der Antragsteller darauf zu verweisen ist, abzuwarten, ob das Jobcenter ( JC ) aus dem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II bei Pflichtverstößen belastenden Rechtsfolgen (insbesondere sog. Sanktionen auf der Grundlage von §§ 31 ff. SGB II) ableiten wird, kommt bzw. kam es mithin nicht an, da sich der Verwaltungsakt nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist. (vgl. zum Meinungsstand nur den Beschluss des erkennenden Senates vom 27.10.2014, Az. L 2 AS 1701/14 B ER ).
2. Nach dem Grundsatz des Forderns und Förderns (vgl. §§ 1 und 2 SGB II) muss die Eingliederungsvereinbarung bzw. der sie ersetzende Verwaltungsakt dabei konkrete und bestimmbare Pflichten für beide Vertragspartner enthalten (LSG NRW, Beschluss vom 26.11.2012, Az. L 2 AS 2052/12 B ). Diesen Anforderungen genügt die Eingliederungsvereinbarung.
3. Die vom Antragsteller geforderte Auflistung seiner Einnahmen und Ausgaben dient der Überprüfung, ob die seitens des Antragstellers vorzunehmenden Maßnahmen zur Gewinnsteigerung geeignet, erforderlich, zumutbar und – für den Antragsteller besonders wichtig – (finanziell) förderungswürdig sind, um die Hilfebedürftigkeit zu verringern oder bestenfalls ganz zu beseitigen. Eine Überprüfung der Leistungsberechtigung des Antragstellers mag damit einhergehen, ist aber jedenfalls nicht ausschließlicher Zweck der Verpflichtung ( vgl. zu durchgreifenden Bedenken der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes bei einem Selbständigen: LSG NRW, Beschluss vom 26.11.2012 – L 2 AS 2052/12 B ).
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178388&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
1. 2 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.05.2015 – L 7 AS 372/15 B ER und – L 7 AS 373/15 B – rechtskräftig
Im Wege der einstweiligen Anordnung besteht die Verpflichtung des Jobcenters, der belgischen Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe des Regelbedarfs zu gewähren – Unterhaltsleistungen der Tochter – Familienangehörige nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU.
Leitsatz (Autor)
1. Denn mit ihrem Ehemann sei sie zu ihrer Tochter gezogen, die sie unterstütze.
2. Die Antragstellerin hat ein Aufenthaltsrecht nicht (nur) zur Arbeitsuche, sondern genießt ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehörige nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU.
3. Die Tochter der Antragstellerin ist freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerin in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmerin gemäß § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. In gerader aufsteigender oder absteigender Linie Verwandte der in § 2 Abs. 2 Nr.1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Personen sind gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige, wenn ihnen von diesen Personen Unterhalt gewährt wird. Weil die Tochter der Antragstellerin zumindest 100,- EUR im Monat an Unterstützung zukommen lässt, handelt es sich bei der Antragstellerin um eine Familienangehörige in diesem Sinne. Dass die Tochter der Antragstellerin keinen höheren Unterhalt gewährt, steht der Freizügigkeitsberechtigung der Antragstellerin nicht entgegen.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178387&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
1. 3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.04.2015 – L 6 AS 296/15 B ER und – L 6 AS 297/15 B – rechtskräftig
Bulgarische Staatsbürger haben Anspruch auf ALG II inklusive der KdU – Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten der Unterkunft
Offen gelassen werden kann, ob schon die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II deshalb nicht erfüllt sind, weil sich das Aufenthaltsrecht der Antragsteller über die Schulausbildung des Kindes und deren Recht auf Zugang zur Ausbildung ableiten lässt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-67/14; Pressemitteilung des Gerichtshofes der Europäischen Union Nr. 35/15 vom 26.03.2015) oder weil seine geringfügige Tätigkeit nach Umfang und vertraglicher Gestaltung seine Arbeitnehmereigenschaft sowohl nach nationalem als auch nach Gemeinschaftsrecht zu begründen vermag (vgl zur Höhe des Entgelts auch LSG NRW Beschluss vom 22.05.2012 – L 6 AS 413/12 B – ).
Leitsatz (Autor)
1. Einem EU-Bürger können vorläufig Geldleistungen gem. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III bewilligt werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem EuGH ist.
2. Kein Abwarten der Räumungsklage, denn schon zu einem früheren Zeitpunkt können wesentliche Nachteile zu gewärtigen sein, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lassen (LSG NRW Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER).
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178362&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
1. 4 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.05.2015 – L 7 AS 576/15 B ER – rechtskräftig
Miteigentumsanteil als Vermögen – Leistungen als Darlehen nach § 24 Abs. 5 SGB II – Anordnungsgrund hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (bejahend )
Leitsatz (Autor)
1. Jobcenter muss nach Trennung vom Lebensgefährten alleinstehender Mutter mit Kind darlehensweise ALG II gewähren, denn im einstweiligen Rechtsschutzverfahren spricht mehr dagegen als dafür, dass dieses Vermögen derzeit liquide ist.
2. Einen Käufer allein für den Miteigentumsanteil des von dem ehemaligen Lebensgefährten der Antragstellerin weiterhin bewohnten Hauses zu finden, unabhängig von den rechtlichen Voraussetzungen für einen Verkauf des Miteigentumsanteils (§ 747 BGB) – jedenfalls in so kurzer Zeit, dass der Bedarf der Antragstellerinnen im tenorierten Zeitraum gedeckt werden kann, ist unwahrscheinlich. Gleiches gilt für eine wirtschaftlich sinnvolle anderweitige Verwertung, etwa in Form der Beleihung (§ 1009 BGB) bzw. Geltendmachung einer Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft (§ 749 BGB) und anschließendem Gesamtverkauf (§ 753 BGB).
3. Die Versagung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung führt ansonsten unmittelbar und sogleich zu einer Bedarfsunterdeckung, die bei glaubhaft gemachter Hilfebedürftigkeit den Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums berührt (in diesem Sinne auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.01.2015 – L 11 AS 261/14 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.07.2014 – L 10 AS 1393/14 BER, L 10 AS 1394/ B ER PKH).
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178270&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=[url]
1. 5 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.03.2015 – L 31 AS 1258/14 – anhängig beim BSG unter d. Az. B 14 AS 15/15 R
Spanischer Staatsangehöriger hat keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Leitsätze (Juris)
1. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II setzt ein tatsächlich bestehendes und nicht nur mögliches Freizügigkeitsrecht voraus. Dieses verlangt eine tatsächliche und nicht nur fiktive Arbeitssuche. Wer nur zum Sozialleistungsmissbrauch eingereist ist, ist nicht vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen.
2. Die Frage nach der Vereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Unionsrecht stellt sich nur bei denjenigen Unionsbürgern, die ihr Aufenthaltsrecht ausschließlich aus der – tatsächlichen und nicht bloß behaupteten – Arbeitssuche herleiten, ohne bereits eine tatsächliche Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt hergestellt zu haben. Unter welchen Voraussetzungen diese tatsächliche Verbindung besteht, entscheiden nationale Behörden und Gerichte. Diese ist auf Dauer jedenfalls dann gegeben, wenn gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU eine berufliche Tätigkeit länger als ein Jahr ausgeübt wurde.
3. Die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Dano und in der Rechtssache Vatsouras/Koupatantze sind dahingehend zu verstehen, dass Unionsbürger ohne ausreichende Existenzmittel mangels eines materiellen Aufenthaltsrechts von Sozialhilfeleistungen im Sinne von Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG und damit von SGB II-Leistungen ausgeschlossen werden können (Dano), dass ihnen aber bei einem hinreichenden tatsächlichen Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt finanzielle Leistungen zur Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt zu gewähren sind (Vatsouras/Koupatantze).
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=177433&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
1. 6 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.05.2015 – L 20 AS 778/15 B ER – rechtskräftig
EFA – französische Staatsbürgerschaft – Vorbehalt nach Art. 16 B EFA
Französischer Staatsbürger ist nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug des SGB II ausgeschlossen. In Betracht kommt hier allein, da der Antragsteller sich bereits länger als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Leitsatz ( Autor )
Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist auf Staatsangehörige eines Vertragsstaates des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 – EFA – nicht anzuwenden, weil Art. 1 EFA dies völkerrechtlich ausschließt. Frankreich ist Vertragsstaat des EFA, so dass die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für den Antragsteller nicht zur Anwendung kommt.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178031&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
1. 7 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.05.2015 – L 15 AS 85/15 B ER
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente – Ermessensausübung – keine Unbilligkeit
Leitsätze (Juris)
1. Keine Voraussetzung für die Verpflichtung des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente ist, dass Vermittlungsbemühungen nachweisbar fehlgeschlagen sind oder eine Vermittlung nachweisbar nicht erforderlich gewesen ist.
2. Die bei der Aufforderung zur Antragstellung vom Leistungsträger zu treffende Ermessensentscheidung ist in dem Sinne vorgezeichnet, dass im Regelfall die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente verlangt werden muss (intendiertes Ermessen).
3. Vermeintlich unzureichende Vermittlungsbemühungen des Trägers in der Vergangenheit begründen dabei ebenso wenig einen atypischen Fall wie ein unterhalb des ansonsten zustehenden Arbeitslosengeldes II liegender Zahlbetrag der Altersrente oder – im Hinblick auf ungünstigere Anrechnungsvorschriften nach dem SGB XII – die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung.
Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=FECFC2962BA00E4DA053C0FA1E08ED9E.jp26?doc.id=JURE150009099&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint
1. 8 Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.04.2015 – L 11 AS 255/13 – Die Revision wird zugelassen.
Zum Anspruch auf Abschluss einer Leistungserbringervereinbarung; hier: Schuldnerberatung nach § 16a SGB II.
Zur Frage, ob bei geeigneten Dritten und bei Erfüllung der in § 17 SGB II normierten Anforderungen eine Ermessensreduzierung auf Null eintritt und damit Bewerbern für die Leistungserbringung in diesen Fällen ein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung – im Sinne einer gebundenen Entscheidung – zusteht.
Leitsatz (Juris)
Der Abschluss einer Leistungserbringervereinbarung über Schuldnerberatungsleistungen nach § 16a SGB II kann vom Träger der Grundsicherungsleistungen nicht mit dem Hinweis darauf abgelehnt werden, dass einem Rechtsanwalt das Merkmal der Gemeinnützigkeit fehle.
Quelle: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=FECFC2962BA00E4DA053C0FA1E08ED9E.jp26?doc.id=JURE150009098&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint
1. 9 Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 12.02.2015 – L 3 AS 1333/13
Abschluss eines Leistungsvertrages zwischen Jobcenter und selbstständigen, hilfebedürftigem Schuldnerberater – § 16a SGB II, § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB II u. Abs. 2 finden keine Anwendung – auch aus anderen Vorschriften des SGB II lässt sich kein Anspruch ableiten wie etwa § 14 Satz 1 SGB II – behauptete Zusage nicht in Schriftform vorliegt
Leitsätze ( Autor )
1. Antragsteller hat keinen Anspruch auf Abschluss des von ihm begehrten Leistungsvertrages. Dieser Vertrag soll zum Inhalt haben, dass der Leistungsträger ihm, dem Antragsteller in seiner Eigenschaft als selbständiger Schuldnerberater Kunden aus dem Kreis der Hilfebedürftigen zuführt. Dieses Begehren findet im Gesetz keine Stütze.
2. Auch wenn der Antragsteller keinen Anspruch auf Abschluss des begehrten Vertrages hat, ist er gleichwohl nicht gehindert, Leistungsberechtigten nach dem SGB II seine Dienste anzubieten.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178301&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: vgl. dazu LSG NSB, Urteil vom 28.04.2015, L 11 AS 255/13 – Revision zugelassen: Zum Anspruch auf Abschluss einer Leistungserbringervereinbarung; hier: Schuldnerberatung nach § 16a SGB II.
1. 10 Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 02.06.2015 – L 7 AS 1587/13 B PKH
Hälftiger Mehrbedarf wegen Alleinerziehung – Wechselmodell – Umgangsrecht – Antragstellerin ( Mutter ) nimmt kein bloßes Umgangsrecht wahr, sondern ist ebenfalls sorgeberechtigt
Leitsätze (Autor)
1. Bewilligung von PKH, da nach wie vor unklar ist, in welchem Umfang die Mutter und der Vater des Kindes tatsächlich Pflege- und Erziehungsaufgaben wahrnehmen und ob die Mutter als hilfebedürftiger Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen.
2. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Mutter kein bloßes Umgangsrecht wahrnimmt, sondern ebenfalls sorgeberechtigt ist, so dass die Grundsätze, die das BSG zum Aufenthalt beim umgangsberechtigten Elternteil aufgestellt hat (zwölf Stunden am Tag), ggf. nicht oder nur entsprechend anzuwenden sein könnten. Fraglich ist ferner, ob die vom BSG aufgestellten Grundsätze zur hälftigen Betreuung im wöchentlichen Intervall auf den Fall einer hälftigen Betreuung pro Kalendertag – wie vielleicht hier – übertragen werden könnten.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178305&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2. 1 Sozialgericht Duisburg, Urteil vom 28.4.2014 – S 49 AS 2522/13
Unterscheidung von laufenden und einmaligen Einnahmen – § 11 Abs. 2 und 3 SGB II – Arbeitslosengeld I
Leitsatz (der Redaktion):
Eine Nachzahlung von Arbeitslosengeld I ist als laufende Einnahme zu werten und darf nicht auf sechs Monate verteilt werden.
mit Anmerkung von Wolfgang Conradis, abgedruckt in info also, Heft 03/2015
Anmerkung: ebenso zum Arbeitslosengeld I : SG Augsburg, Urteil vom 06.06.2014 – S 15 AS 58/14 – Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist am Bayerischen Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 16 AS 543/14 anhängig.
2. 2 Sozialgericht Gotha, Beschluss vom 26. Mai 2015 (Az.: S 12 AS 5157/14):
Leitsätze Dr. Manfred Hammel
Zur Unvereinbarkeit des § 31a SGB II (Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen) in Verbindung mit § 31 SGB II (Pflichtverletzungen) und § 31b SGB II (Beginn und Dauer der Minderung) mit Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürdeprinzip) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip), Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit).
Sanktionen nach § 31a SGB II stellen eine absolute Kürzung des Regelbedarfs (§ 20 SGB II) dar, bei der gerade keine Möglichkeit zum Ausgleich besteht. Auch der soziokulturelle Bedarf eines Menschen gehört zum grundrechtlich gesicherten, menschenwürdigen Existenzminimum.
Art. 1 Abs. 1 GG bindet den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Bestimmung des zur menschenwürdigen Existenz Unerlässlichen. Die Legislative muss hier neben dem physischen Überleben aber auch die soziale Teilhabe hilfebedürftiger Menschen sichern.
§ 31a SGB II in Verbindung mit den §§ 31 und 31b SGB II verstoßen bereits durch die Koppelung der Leistungsgewährung an ein bestimmtes Verhalten des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten gegen das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.
Bei einer Leistungskürzung nach § 31a SGB II besteht kein Zusammenhang zwischen der amtlicherseits noch gewährten restlichen Leistung und dem gegenwärtigen Bedarf der mittellosen Person.
Die Mittel, auf die eine auf dieser Grundlage sanktionierte Person zur Erhaltung der physischen Existenz und für ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe angewiesen ist, bleiben die gleichen, die er vor dem amtlicherseits vorgeworfenen Verhalten benötigte.
Der Umfang des menschenwürdigen Existenzminimums wird im Fall einer durch einen hilfebedürftigen Menschen begangenen Pflichtverletzung in den §§ 31 ff. SGB II nicht hinreichend bestimmt bzw. ohne sachlichen, bedarfsabhängigen Grund niedriger beziffert.
Sanktionen gemäß § 31a SGB II führen dazu, dass das vom Gesetzgeber festgelegte Existenzminimum (das zum Leben Notwendige) für den Zeitraum der Sanktionierung unterschritten wird, was mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar ist.
Eine Sachleistungsgewährung nach § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II kann hier höchsten zu einer relativen Abmilderung der Folgen einer Leistungskürzung führen, den Verfassungsverstoß aber nicht beseitigen.
Der Menschenwürdegrundsatz ist weder arbeitsmarktpolitisch noch fiskalpolitisch relativierbar. Eine entsprechende Beeinträchtigung darf von der öffentlichen Hand nicht als ein Druckmittel eingesetzt werden.
Selbst bewusste Zuwiderhandlungen von Leistungsberechtigten gegen den aus den §§ 1 bis 3 SGB II folgenden Selbsthilfegrundsatz müssen insoweit hingenommen werden, als es um den Kernbereich der menschenwürdigen Existenz, d. h. die Leistungen zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums, geht.
Soziale Hilfen vollständig zu versagen und bedürftige Personen im Extremfall hungern zu lassen ist in einem sozialen Rechtsstaat undenkbar, unzulässig und verfassungswidrig.
Bereits die Sanktionsandrohung übt auf den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten einen faktischen Zwang aus, der einer imperativen Verpflichtung zur Aufnahme einer nicht akzeptierten Tätigkeit gleich kommt, ansonsten ist im Extremfall ein vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes Ii möglich (§ 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Diese einschneidenden Folgen des § 31 SGB II in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II greifen ganz erheblich in die negative Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ein.
Ein derartiger, mittelbarer Arbeitszwang ist weder gerechtfertigt noch zur Heranführung erwerbsfähiger Leistungsberechtigter an den Arbeitsmarkt geeignet.
Gerade umfassende Leistungskürzungen führen immer wieder bis hin zu lebensbedrohlichen Situationen bei solchermaßen sanktionierten Personen (z. B. Unterernährung, Delinquenz, psychische Erkrankung, Obdachlosigkeit, Überschuldung etc.).
Sofern das zum Überleben Notwendige durch staatliches Verwaltungshandeln ausgleichslos gekürzt wird, kann dies das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzen. Hierin liegt ein dem Staat zurechenbarer, unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
Die Situation für sanktionierte Personen, hier insbesondere für „Vollsanktionierte“, kann bezüglich der Mittel zum physischen Überleben durchaus schlechter sein als die von Strafgefangenen in Haftanstalten, die in der Regel eine ausgewogene Ernährung und Taschengeld erhalten.
Volltext des Vorlagebeschlusses hier: http://www.sozialrecht-in-freiburg.de/
Anmerkung: S. a. Strafe schafft Obdachlosigkeit (JW vom 09.06.2015)
Strafe schafft Obdachlosigkeit
Nach Gothaer Sozialgerichtsbeschluss fordert Altenburger Landrätin Jobcenter auf, die Sanktionspraxis zu beenden – und bekommt Gegenwind.
Weiterlesen: http://www.jungewelt.de/2015/06-09/037.php
2. 3 SG Schleswig, Beschluss vom 6. Mai 2015 – S 9 AS 69/15 ER
Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen – Sanktion
Leitsatz (Autor)
Ist die Sanktion gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit dem Wegfall der Leistungen für Unterkunftsaufwendungen verbunden, kann dies eine Abweichung vom „Kopfteilprinzip“ und höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft an die weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder rechtfertigen (Bestätigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteile vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 67/12 R – und vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 50/13 R).
Quelle: https://sozialberatungkiel.files.wordpress.com/2015/06/sg-schleswig-beschluss-vom-06-05-2015-s-9-as-69-15-er.pdf
Anmerkung: S. a. Beitrag von RA Helge Hildebrandt: Auch im Kreis Rendsburg-Eckernförde gilt: Bei Sanktion eines Familienmitglieds volle Unterkunftskosten für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
weiterlesen: http://sozialberatung-kiel.de/2015/06/09/auch-im-kreis-rendsburg-eckernforde-gilt-bei-sanktion-eines-familienmitglieds-volle-unterkunftskosten-fur-die-ubrigen-mitglieder-der-bedarfsgemeinschaft/
2. 4 Sozialgericht Augsburg, Urteil vom 22.05.2015 – S 8 AS 121/15 – Die Berufung wird zugelassen.
Nachzahlungen an Elterngeld und an Unterhaltsvorschuss – – Verteilzeitraum – Konzept der Stadt Augsburg genügt den Anforderungen des BSG
Leitsätze ( Autor )
1. Nachzahlungen an Elterngeld und an Unterhaltsvorschuss sind jeweils als laufende Einnahme anzusehen, die aber insofern in größeren als monatlichen Abständen zufließen. Demgemäß sind sie nach § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 SGB II auf sechs Monate aufzuteilen und in diesen Monaten als Einkommen anzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2015, B 4 AS 32/14 R; mit gleichem Ergebnis, aber anderer Begründung: BayLSG, Beschluss vom 28. Januar 2015, L 7 AS 16/15 ER).
2. Der als Grundlage für die Ermittlung der Vergleichsmiete herangezogene „Grundsicherungsrelevante Mietspiegel zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für die Stadt A-Stadt“ (im Folgenden kurz: Konzept) erweist sich als schlüssig.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178280&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: a. A. SG Augsburg, Urteil vom 10.03.2015 – S 11 AS 1263/14 – Berufung anhängig beim BAY LSG Az. L 9 AS 247/15 – Nachzahlungen von Sozialleistungen sind nicht als einmalige Einnahme zu werten.
2. 5 Sozialgericht Augsburg, Urteil vom 22.05.2015 – S 8 AS 167/15 – Die Berufung wird zugelassen.
Leitsatz ( Autor )
Das zugrunde liegende Konzept des Grundsicherungsträgers für die Stadt Augsburg ist schlüssig.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178281&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung dazu von RA Daniel Zeeb, Augsburg:
Hinsichtlich der Angemessenheitsgrenze macht es nach wie vor Sinn Widerspruch einzulegen, jedenfalls bezüglich Bewilligungszeiträumen ab Mai 2015. Das Urteil S 8 AS 167/15 führt insoweit aus:
„Anders mag die Beurteilung nach Meinung dieser Kammer voraussichtlich bei Bewilligungszeiträumen darstellen, die ab Mai 2015 beginnen. Denn angesichts dessen, dass das vorliegende Konzept auf der Bewertung von Bestandsmietverhältnissen beruht, die nicht zeitlich begrenzt sind, wie etwa von § 558d BGB vorgesehen, besteht Handlungsbedarf nach einer Überprüfung bzw. Fortschreibung des Konzepts mit Ablauf von zwei Jahren ab Datenerhebung Ende April 2013 und nicht erst – wie wohl vom Beklagten angedacht – ab Anwendung des Konzepts ab November 2013. Für zukünftige Hauptsacheverfahren betreffend Bewilligungszeiträume ab Mai 2015 wird daher intensiv zu prüfen sein, ob die derzeitigen Referenzwerte des Konzepts weiter aktuell sind und noch angewandt werden können“
Das Sozialgericht geht folglich davon aus, dass das Konzept zumindest für Zeiten ab dem 01.05.2015 aufgrund der fehlenden Aktualisierung unschlüssig sein könnte.
2. 6 Sozialgericht Dresden, Urteil vom 29. April 2015 (Az.: S 12 AS 1184/15):
Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des zureichenden Grundes im Sinne des § 88 Abs. 1 Satz 1, der dafür spricht, dass ein Jobcenter über einen eingereichten Leistungsantrag noch nicht entschieden hat, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls von besonderer Bedeutung.
2. Ein SGB II-Träger ist hier stets gehalten, ein Verwaltungsverfahren so zügig wie möglich zu betreiben und einer Überschreitung der gesetzlich eingeräumten Entscheidungsfrist des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG spätestens bei Erschöpfung der wesentlichen Ermittlungsmöglichkeiten eine Sachentscheidung zu treffen.
3. Amtlicherseits vertretene Mutmaßungen, die keine greifbaren Anhaltspunkte für ein antragstellerseitig erzieltes Einkommen dokumentieren, stellen keinen sachlichen Grund dafür dar, eine entsprechende Sachentscheidung nicht zu treffen.
4. In der Vergangenheit liegende Umstände dürfen nur soweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Antragstellers ermöglichen.
5. Wenn ein Antragsteller dem Jobcenter gegenüber mehrfach und wiederholt darlegt, er erziele kein Einkommen, dann hat der SGB II-Träger über diesen Leistungsantrag unter eingehender Berücksichtigung sämtlicher maßgeblicher Punkte zu entscheiden.
2. 7 Sozialgericht Dresden, Urteil vom 29. April 2015 (Az.: S 12 AS 192/15):
Zur Begründetheit einer nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG erhobenen Untätigkeitsklage.
Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Eine etwaige fehlende Mitwirkung des Antragstellers für die Neuberechnung des nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung eines Mehrbedarfszuschlags stellt keinen sachlichen Grund für die Nichtbescheidung dieses Überprüfungsantrags dar.
2. Hier hat das Jobcenter nach Prüfung den entsprechenden Voraussetzungen ggf. nach § 66 SGB I (Folgen fehlender Mitwirkung) vorzugehen, um einer Untätigkeitsklage die Grundlage zu entziehen.
3. Wenn eine endgültige Festsetzung von Leistungen für einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum nicht möglich ist, weil z. B. das anrechenbare Einkommen noch nicht sicher feststeht, hat von der Zulässigkeit einer Klage auf höhere vorläufige Leistungen auch für diesen Zeitraum ausgegangen zu werden.
Anmerkung: ebenso im Ergebnis LSG NSB, Urteil vom 19.03.2014 – L 13 AS 233/12 u. LSG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2013 – L 19 AS 535/13 B
2. 8 Sozialgericht Dresden, Urteil vom 29. April 2015 (Az.: S 12 AS 194/15):
Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Die Rechtmäßigkeit eines vom Jobcenter auf § 66 SGB I (Folgen fehlender Mitwirkung) gestützten Ablehnungsbescheids gestützten Ablehnungsbescheids richtet sich einzig danach, ob die in dieser Bestimmung erwähnten Tatbestandsmerkmale der mangelnden Mitwirkung gegeben sind, und zwar unabhängig davon, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der im Einzelnen nachgesuchten Leistung vorliegen.
2. Die Anwendung des § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I steht im vom Jobcenter pflichtgemäß auszuübenden Ermessen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I).
3. Die Ermessenserwägungen sind amtlicherseits den betroffenen Personen innerhalb des Ablehnungsbescheids im Einzelnen darzulegen.
4. Eine Vermengung von Tatbestandsvoraussetzungen mit Rechtsfolgen ist hier unzulässig. Es reicht nicht aus, wenn ein Jobcenter zur Begründung lediglich eine Wiederholung des Tatsachenvortrags und keine Bewertung der entscheidungsmaßgeblichen Punkte unter Berücksichtigung auch der Belange des Antragstellers tätigt.
5. Eine Entscheidung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I darf auch dann nicht ergehen, wenn der Sozialleistungsempfänger die vom Leistungsberechtigten getätigten Angaben für unwahr hält.
6. In diesem Fall ist das Vorbringen des Antragstellers unter Berücksichtigung des § 20 SGB X zu würdigen und der eingereichte Leistungsantrag ggf. abzulehnen. Dies setzt aber grundsätzlich Entscheidungsreife in der Sache selbst voraus.
2. 9 SG Leipzig, Urteil vom 05.02.2015 – S 18 AS 2159/11 – nicht rechtskräftig
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung und -berechnung – Einkommensschwankungen – vorläufige Leistungsbewilligung – monatliches Durchschnittseinkommen – Berücksichtigung des tatsächlichen Einkommens bei der endgültigen Entscheidung
Leitsatz ( Autor )
Werden nach vorläufiger Bewilligung von Leistungen auf Basis des zu erwartenden Durchschnittseinkommens Leistungen nunmehr endgültig festgesetzt, kann dieser Festsetzung niemals der Durchschnitt des im Bewilligungszeitraum tatsächlich erzielten Einkommens zugrunde gelegt werden; hierfür existiert keine Rechtsgrundlage. Es ist immer das im jeweiligen Monat erzielte Einkommen zu berücksichtigen.
Quelle: http://www.justiz.sachsen.de/sgc/content/trefferliste_pm.php
Anmerkung: ebenso SG Berlin, Urt. v. 23.03.2015 – S 197 AS 355/12; SG Nordhausen, Urteil vom 12.09.2013 – S 22 AS 7699/11; a. A. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30.01.2013 – L 5 AS 487/10; SG Halle [Saale], Urteil vom 03.12.2014 – S 24 AS 846/13 –.
2. 10 SG Oldenburg, Beschluss vom 22.05.2015 – S 43 AS 101/15 ER
Gewährung einer Wohnungserstausstattung als Sachleistung – Ermessensreduzierung auf Null
Leitsatz ( Autor )
1. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Leistungsträger nach den für ihn geltenden Richtlinien die
Wohnungserstausstattung grundsätzlich in Form von Sachleistungen erbringt und nicht als Geldleistung.
2. Eine solche nur in Ausnahmefällen bestehende Ermessensreduzierung auf Null ist im vorliegenden
Fall nicht ersichtlich. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Fall der Ermessensreduktion auf Null vorliegt, wenn der SGB Il-Leistungsträger durch interne Verwaltungsrichtlinien dahin gebunden ist, für die Wohnungserstausstattung stets eine Leistung in Geld statt als Sachleistung zu erbringen (BSG, Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 202/10 R). Dies ist hier nicht der Fall. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG in Verbindung mit der Richtlinie ist daher nicht anzunehmen.
3. Der Verweis auf ausschließlich Gegenstände der Diakonie Wilhelmshaven ist jedenfalls ebenfalls nicht zu beanstanden. Die kirchenrechtliche Wertung einer Inanspruchnahme der Diakonie ist nicht maßgeblich für die Frage der sozialrechtlichen Zumutbarkeit.
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht ( SGB III )
3. 1 Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24.02.2015 – L 13 AL 1924/14
Gründungszuschusses nach dem SGB III – Ermessen – Eingliederungsvereinbarung – Selbständigkeit
Leitsätze ( Juris )
1.) Wird bei Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung allgemein als Ziel eine Selbständigkeit genannt, ein Existenzgründungszuschuss hingegen ausdrücklich nicht zugesagt, ist dies für die Ermessensentscheidung irrelevant.
2.) Wird in ermessenslenkenden Weisungen der Vorrang der Vermittlung in abhängige Beschäftigung normiert und bietet die Bundesagentur bereits in einem kurzen Zeitraum mehrere Beschäftigungsangebote an, so ist unschädlich, wenn eines dieser exemplarischen Angebote unterhalb der tatsächlichen Qualifikation eines Versicherten liegt.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=176033&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
4. 1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.06.2015 – L 12 SO 20/15 NZB
Zur Übernahme der Kosten für die Einschläferung eines Hundes.
Leistungsempfänger müssen die Mehrkosten der Haustierhaltung grundsätzlich selbst tragen.
Leitsätze ( Autor )
1. Die Kosten für das Halten eines Haustieres werden vom allgemeinen Regelsatz umfasst, der den notwendigen Lebensunterhalt abdeckt.
2. Die hier streitigen Kosten gehören in ihrer Typizität zur Hilfe zum Lebensunterhalt und sperren damit den Zugriff auf § 73 SGB XII.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178338&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
4. 2 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.06.2015 – L 9 SO 89/15 B ER – rechtskräftig
Sozialhilfeträger muss keine Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers für die Teilnahme an einer Offenen Ganztagsschule gewähren, wenn die Eltern des Antragstellers über sofort realisierbare Geldmittel in Höhe von über 12.000,- Euro verfügten – Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 DV § 82 SGB XII sind Tilgungsleistungen nicht als Werbungskosten von den Mieteinnahmen abzusetzen
Leitsatz ( Autor )
1. In jedem Fall verfügen die Eltern des Antragstellers über Vermögen, das sie nach Maßgabe von § 90 SGB XII einzusetzen haben und das die monatlichen Kosten für einen Integrationshelfer zur Begleitung währen der OGS deutlich übersteigt, so dass es bis zu einem etwaigen Verbrauch dem geltend gemachten Kostenübernahmeanspruch fortlaufend entgegen gehalten werden kann (vgl. zu Letzterem BSG, Urt. v. 20.09.2012 – B 8 SO 20/11 R ).
2. Der Einsatz dieser Geldmittel ist den Eltern des Antragstellers auch ohne weiteres möglich und zumutbar, so dass für eine Härte im Sinne von § 91 SGB XII nichts ersichtlich ist.
3. Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich der geltend gemachte Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Hilfen zur angemessenen Schulbildung im Sinne von §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV ergibt, die gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB XII unabhängig von Einkommen und Vermögen zu erbringen sind.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178320&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
4. 3 Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.05.2015 – L 4 SO 31/15 B ER
Bulgarischer Staatsangehöriger hat keinen Anspruch auf ALG II, Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII, hilfsweise nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Leitsätze ( Juris )
1. Dem SGB XII kommt im Bereich der Leistungen für den Lebensunterhalt im Verhältnis zum SGB II keine Auffangfunktion zu.
2. Die Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII stehen hinsichtlich ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis. Vielmehr handelt es sich nach ihrem persönlichen Anwendungsbereich um gleichrangig und selbständig nebeneinander stehende Existenzsicherungssysteme, die sich insoweit grundsätzlich gegenseitig ausschließen (Anschluss an BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 14 AS 90/12 R, Juris Rn. 50; BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 4/08 R; BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R).
3. Erwerbsfähige und deren Angehörige, die dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterfallen, haben nach § 21 SGB XII keinen Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII.
4. Die Entscheidungszuständigkeit für die Frage, ob und in welchem Umfang diesem Personenkreis unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zum verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 und 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 27/11) dennoch Leistungen zustehen, bleibt folgerichtig bei dem für die Leistungen nach dem SGB II zuständigen Leistungsträger, solange der Antragsteller nicht nachvollziehbar ausreisepflichtig ist und damit unter den Tatbestand des § 1 Nr. 5 AsylbLG fällt.
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178273&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2014, L 8 SO 129/14 B ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 14. Januar 2014 – L 4 AS 444/14 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. November 2013 – L 19 AS 578/13 B ER
5. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
5. 1 Sozialgericht Aachen, Beschluss vom 20.05.2015 – S 19 SO 207/14
Keine Gewährung von Prozesskostenhilfe – Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII – keine rückwirkende Gewährung trotz rückwirkender Feststellung des Merkzeichens G
“ Nachgewiesen“ ist die Zuerkennung erst mit Vorlage des entsprechenden Bescheides der Versorgungsverwaltung bzw. mit Vorlage des Schwerbehindertenausweises, mag die Zuerkennung selbst auch Rückwirkung entfalten.
Leitsätze ( Autor )
Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII besteht frühestens mit Zugang des Feststellungsbescheides bei dem Hilfebedürftigen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.04.2015 – L 20 SO 426/12; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.05.2014 – L 9 SO 55/14 B ; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.09.2013 – L 2 SO 404/13 ).
Quelle: http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=178298&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: a. A. Simon in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 30 Rn. 46 f.; Münder in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 30 Rn. 6; Gebhardt in BeckOK SGB XII, § 30 Rn. 4; Nebe, SGb 2011, 193 ff.; unentschieden Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 30 Rn. 8
6. Es gibt nicht genügend renovierten Wohnraum im Kreis
Das Jobcenter Reutlingen muss in manchen Fällen für Hartz-IV-Bezieher die Kosten für die Einzugsrenovierung übernehmen. Mit diesem Vergleich endete ein Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht.
weiterlesen: http://www.swp.de/reutlingen/lokales/reutlingen/Es-gibt-nicht-genuegend-renovierten-Wohnraum-im-Kreis;art5674,3059345
Anmerkung: LSG Baden-Württemberg, Vergleich vom 09.02.2015 – L 1 AS 1609/14 –
Das Jobcenter muss beweisen, dass nennenswert Wohnraum in renovierten Zustand im unteren Preissegment vorhanden ist, um die Kostenübernahme für eine angemessene Renovierung ablehnen zu können. Dies war nicht der Fall und die Auskünfte, die das LSG eingeholt hatte, haben überwiegend ergeben, dass die Makler und Immobilienfirmen sogar eine örtliche Tendenz zur Einzugsrenovierung bescheinigten.
Anmerkung: BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R; SG Duisburg Urteil vom 26.10.2010 , – S 38 (27) AS 514/07
Die Angemessenheit der Einzugsrenovierungskosten, die grundsätzlich unabhängig von der Angemessenheit der Unterkunft selbst gegeben sein muss, ist in 3 Schritten zu prüfen.
Zunächst ist festzustellen, ob die Einzugsrenovierung im konkreten Fall erforderlich war, um die „Bewohnbarkeit“ der Unterkunft herzustellen. Alsdann ist zu ermitteln, ob eine Einzugsrenovierung ortsüblich ist, weil keine renovierten Wohnungen in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen. Zuletzt gilt es zu klären, ob die Renovierungskosten der Höhe nach im konkreten Fall zur Herstellung des Standards einer Wohnung im unteren Wohnungssegment erforderlich waren.
Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock
Quelle „Tacheles-Rechtsprechungsticker, http://www.tacheles-sozialhilfe.de