EuGH: Die Feststellung, dass das Asylverfahren im für zuständig bestimmten Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweist, führt nicht zur Pflicht zum Selbsteintritt des bestimmenden Mitgliedsstaates.
By : Rechtsanwalt Denis König | Category : Asylrecht, Ausländerrecht, Verwaltungsrecht | No Comments
14th Nov 2013
In seinem aktuellen Urteil hat der EuGH hat den Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) 343/2003 (Dublin-II-VO) konkretisiert. Der Mitgliedsstaat, der die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates bestimmt hat, wird auch dann nicht zuständig, wenn das Asylsystem des bestimmten Mitgliedsstaates systemische Mängel aufweist. Vielmehr ist er berechtigt, die Zuständigkeitsprüfung fortzuführen. Auf seine Befugnis zum Selbsteintritt hat dies keinen Einfluss.
Mitgliedsstaaten der Dublin-II-VO sind die EU-Staaten und die Schweiz. Reist ein Ausländer zum Beispiel in Polen ein und stellt dort einen Asylantrag, so ist Polen für die Prüfung des Asylantrags zuständig, selbst wenn der Ausländer weiter reist und in Deutschland einen (weiteren) Asylantrag stellt. Die Bundesrepublik prüft zunächst, ob sie für die Prüfung zuständig ist. Da dem Ausländer bereits in Polen Fingerabdrücke abgenommen wurden, erhält das Bundesamt (BAMF) nach dem Abgleich eine EURODAC-Mitteilung über einen Treffer (der Kategorie 1, weil Asylantrag in Polen gestellt worden ist). Das BAMF bietet dann Polen um Wiederaufnahme, weil davon ausgegangen wird, dass Polen zuständig ist. Polen erklärt sich dann zur Wiederaufnahme bereit. Der in Deutschland gestellte Asylantrag wird ohne materielle Prüfung als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Polen wird angeordnet.
Stellt das BAMF bei der Prüfung der Zuständigkeit fest oder das Gericht im Gerichtsverfahren, dass das polnische Asylverfahren systemische Mängel aufweist, so darf der Ausländer nicht nach Polen abgeschoben werden. Für das weitere Verfahren stellt sich daher die Frage, ob die Bundesrepublik zum Selbsteintritt – also zur materiellen Prüfung des Asylantrags – verpflichtet ist.
Der EuGH hat jetzt klar gestellt, dass eine solche Situation nicht zur Pflicht zum Selbsteintritt führt. Der bestimmende Mitgliedsstaat kann die Zuständigkeitsprüfung fortsetzen, da die Dublin-II-VO weitere Kriterien für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates vorsieht.
EuGH, Urteil vom 14.11.2013 – C-4/11, Bundesrepublik Deutschland gegen Puid