Das BAMF stellt „Dublin“-Bescheide im Widerspruch zu § 31 Abs. 1 AsylVfG direkt dem Bevollmächtigten zu.
By : Rechtsanwalt Denis König | Category : Asylrecht, Ausländerrecht, Verwaltungsrecht | No Comments
24th Okt 2013
§ 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG: Der Wortlaut ist eigentlich eindeutig. Aber das BAMF will sich daran nicht halten.
Die Zustellungsvorschriften im öffentlichen Recht werden im Verwaltungszustellungsgesetz geregelt. Für das Asylverfahren regeln insbesondere der § 10 AsylVfG, wie das Bundesamt (BAMF) seine Schreiben den Asylbewerbern zustellt. Für die Entscheidungen des BAMF über die Asylanträge hat der Gesetzgeber weitere Regelungen in das AsylVfG aufgenommen. Zum Beispiel den § 31 AsylVfG.
In den sog. Dublin-Verfahren, in denen es um die Zuständigkeitsprüfung geht, hat der Gesetzgeber bestimmt, dass die Entscheidung des BAMF dem Ausländer selbst zuzustellen ist. Wird der Ausländer von einem Rechtsanwalt vertreten, so wird die Entscheidung weiterhin dem Ausländer zugestellt, der Bevollmächtigte erhält nur einen Abdruck.
Diese Zustellungspraxis wurde und wird kritisiert: Mit der Bekanntgabe der Entscheidung wurde die Frist für die Klageerhebung von zwei Wochen in Gang gesetzt und die zuständige Ausländerbehörde konnte umgehend mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beginnen. Für einen ausreichenden Rechtsschutz bleibt kaum Zeit. Der größte Nachteil ist, dass die Klage gegen den "Dublin-Bescheid" keine aufschiebende Wirkung hat und der Eilrechtsschutz gem. § 34 a Abs. 2 AsylVfG in seiner Fassung vor dem 06.09.2013 ausdrücklich ausgeschlossen hat.
Natürlich haben die Ausländer oft die Frist für die Klageerhebung versäumt. Entweder weil sie die Rechtsbehelfsbelehrung nicht verstanden haben oder vor deren Ablauf bereits abgeschoben wurden.
Man könnte jetzt denken, dass zumindest die Ausländer, die bereits außergerichtlich anwaltlich vertreten wurden, im Vorteil wären, schließlich bekommt der Anwalt den Abdruck der Entscheidung. Weit gefehlt. Denn nirgendwo im Gesetz steht, dass der Bevollmächtigte den Abdruck der Entscheidung vor oder zumindest mit der Zustellung beim Ausländer erhält. Bekommt der Bevollmächtigte den Abdruck der Entscheidung zu spät und versäumt der Ausländer, ihn über den Bescheid rechtzeitig zu unterrichten, so sind die Fristen versäumt. Die Verwaltungsgerichte fahren hier eigentlich klare Linie: Für den Fristbeginn kommt es einzig und allein auf die Zustellung der Entscheidung beim Ausländer.
Im Wege der Umsetzung der EU-Verordnungen hat der Gesetzgeber den § 34 a AsylVfG geändert. Der Absatz 2 erlaubt ausdrücklich den Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO, Frist ist eine Woche. Stellt der Ausländer rechtzeitig den Antrag, so darf er bis zur Entscheidung des Gerichts darüber nicht abgeschoben werden. Der § 31 Abs. 1 AsylVfG wurde dagegen nicht verändert und wird anscheinend auch nicht.
Das BAMF stellt seitdem die Bescheide selbst zu und nicht mehr durch die Ausländerbehörde, weil so hat man auch die Gewissheit, dass der Bescheid beim Ausländer auch ankommt; löblich ist, dass dem ablehnenden Bescheid auch der Ausdruck der Verwaltungsakte beigefügt ist. Aber das BAMF geht einen Schritt weiter. Im Widerspruch zum § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG werden die Bescheide nur dem Rechtsanwalt zugestellt. An sich ist es eine gute Sache, schließlich reduziert sich die Gefahr der Fristversäumung. Nur steht diese Zustellungspraxis eben im Widerspruch zum Gesetz.
Das VG Hamburg, 10. Kammer, Urteil vom 21.06.2013, 10 A 430/12 zum Thema der Zustellung und Fristbeginn:
„Da sich der Kläger vorliegend gegen einen sog. Dublin-II-Bescheid wendet, ist für den Beginn der Klagefrist allein die Zustellung an den Kläger persönlich maßgeblich. Auf die Zustellung an einen etwaigen Prozessbevollmächtigten kommt es nicht an. Denn das Gesetz sieht vor, dass sog. Dublin-II-Bescheide – entgegen der allgemeinen Regel des § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG – dem Ausländer selbst zuzustellen sind, § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG. … Ein sog. Dublin-II-Bescheid kann nur dem Asylbewerber gegenüber wirksam bekannt gegeben werden, vgl. § 41 Abs. 5 VwVfG i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG. Die bloße Kenntnisnahme durch bzw. über den etwaigen Verfahrensbevollmächtigten reicht für eine Bekanntgabe oder Heilung eines Zustellungsmangels nicht aus.“
Das VG Göttingen ist dagegen der Absicht, dass die Zustellungspraxis des BAMF rechtswidrig ist, aber der Bescheid wird durch die Besprechung des Originalbescheids mit dem Mandanten bekanntgegeben. Der Zustellungsmangel wird geheilt. Das VG Ansbach schreibt zwar im Tatbestand, dass der angefochtene Bescheid dem Prozessbevollmächtigten zugestellt worden ist, geht in seiner Entscheidung sonst darauf nicht ein (VG Ansbach Beschluss vom 30.09.2013 – AN 10 S 13.30742).
Für den Rechtsanwalt bedeutet dies: Stellt das BAMF den Dublin-Bescheid dem Rechtsanwalt zu, so muss dieser dagegen so vorgehen, als ob der Bescheid richtig zugestellt worden wäre. Also er muss innerhalb einer Woche den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen und innerhalb von zwei Wochen die Anfechtungsklage erheben. Der Verwaltungsrichter wird in der Verwaltungsakte nach einem Vermerk suchen, dass der Bescheid dem Ausländer zugestellt worden ist, diesen aber nicht finden. Und er wird eine Entscheidung treffen müssen: Entweder ist alles zulässig oder unzulässig.